Jahresende – ist es schon wieder soweit? Die „besinnliche“ Zeit des Jahres ist ausgebrochen. Es ist Zeit für Jahresrückblicke, Glühwein und – im besten Fall – innere Einkehr. Das Bedürfnis nach Kontemplation, das im Verlauf des Jahres im hektischen Alltag verschüttet wurde, kommt nun im Kerzenschein wieder hervor. Gerade in Zeiten von Verwirrung und Wandel kann ein „Business-Häuptling“ von indigenen Kulturen lernen – durch Besinnung auf Selbstführung und Intuition. Dazu möchten wir auch in dieser Ausgabe der „Rauchzeichen“ Anregungen geben. Als gedankliche Klammer haben wir dieses Mal „die Zeit“ gewählt. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine vergnügliche Zeit beim Lesen. Eike Reinhardt & Daniel Goetz
VUCA – Flüchtige Zeiten im Business
„Zeit ist Geld“ lautet das moderne Glaubensbekenntnis. Und im Rahmen der Unternehmenswelt hat dieses Mantra realitätsstiftenden Charakter: Das Rad der Zeit dreht sich immer schneller. In der letzten Ausgabe der „Rauchzeichen“ sind wir darauf eingegangen, wie man VUCA im Business mit Intuition begegnen kann. In einer Welt, die volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig ist, bleibt keine Zeit für die langsamen Prozesse einer planenden Ratio. Vielmehr sind kurzfristige Feedback- und Anpassungsprozesse gefragt. Erfahrungswissen und eine auf der eigenen Wertebasis fußenden Intuition sind hier häufig schneller und nützlicher. Intuition und Ratio gehen im besten Falle eine kooperative Verbindung ein – z.B. bei Entscheidungssituationen: Das in Indien wurzelnde Tetralemma (siehe Link oben) verbindet Elemente von planender Logik und kreativer Intuition.
Interim Management als Ausdruck einer zunehmenden „VUCA-isierung“ der Geschäftswelt
Interim Management bedeutet die Übernahme einer Management-Position für eine befristete Zeit. Wir sprachen mit Fachbuchautor und Experte für Interim Management, Manfred Faber (www.hr-consultants.de). Interim Manager kommen dann ins Spiel, wenn die Zeit knapp ist: zur Überbrückung von Vakanzen nach einer Kündigung; zur vorübergehenden Entlastung des Stelleninhabers; als Vertretung während der Elternzeit oder des Sabbaticals – oder dann, wenn spezielles Know-How erforderlich ist (z.B. zur Projektarbeit oder bei Umstrukturierungen).
Welche Herausforderungen müssen Interim Manager meistern?
- schnelle Einarbeitung in ein komplexes Umfeld im Unternehmen
- teilweise in Unternehmen, die sich ohnehin in Umbruchphasen befinden
- eigenständiges Arbeiten und souveränes Auftreten vom ersten Moment an
- kurzfristiger Beziehungsaufbau zu Vorgesetzten und Mitarbeitern
- Resonanzfähigkeit mit der Kultur des Unternehmens
Es wird deutlich: der Faktor Zeit wirkt hier wie ein Katalysator für Herausforderungen, denen Fach- und Führungskräfte auch sonst gegenüberstehen. Häufig kommt ein temporärer Wechsel des Arbeitsortes und ggf. des Wohnortes als weitere Belastung hinzu. Zusätzlich zu dieser „heißen“ Phase des Arbeitseinsatzes gibt es ebenso regelmäßig die „kalte“ Phase ohne Anstellung (quasi zwischen den Projekten). Für diese Zeit braucht es nicht nur einen vorausschauenden Aufbau eines finanziellen Polsters, sondern auch die Bereitschaft, für diese Zeit „arbeitslos“ zu sein und seinen Lebensstil ggf. anzupassen.
Als Interim Manager beständig im Wandel bleiben
Bei den genannten Anforderungen an den Interim Manager wird deutlich, dass dieser ein hohes Maß an Selbststeuerungs-Kompetenz besitzen (oder sich aneignen) muss. Dazu zählen als Minimalanforderungen:
- hohe Eigenverantwortung
- vorausschauendes Denken und Handeln – über den aktuellen zeitlichen Horizont hinaus
- starkes Selbst-Bewusstsein mit hoher Ich-Stabilität sowie auch einer ausgeprägten Kompetenz zur Wahrnehmung des eigenen Handelns im System
Wer als Interim Manager keine Fähigkeit zur Selbststeuerung hat, wird hier leicht aus der Bahn geworfen. Je stürmischer die Veränderungen im Außen, desto wichtiger ist die Pflege der inneren Stärke. Im letzten Jahr hatten wir zum Thema „Wandlungsfähigkeit im Unternehmen“ einen Vortrag beim Bundesverband Mittelständische Wirtschaft gehalten (siehe Video dort). Wir gingen dort der Frage nach: Wie kann man „Beständig im Wandel“ sein?
Zyklisches Denken im Interim Management
Der Zyklus aus Phasen hoher Arbeitsintensität und Phasen der Regeneration und des „Ausharrens“ bis zur nächsten Tätigkeit lässt sich gut mit einem zyklischen Zeitverständnis beschreiben. Mit der organischen Metapher des Jahreszyklus gedacht, bekommen die unterschiedlichen Phasen des Interim Management einen neuen Bedeutungsrahmen:
- Frühling (neue, aufkeimende Energie): Kennenlernen und Einarbeitung
- Sommer (Vitalität): Aufbau und Beibehaltung von Routine(n)
- Herbst (Ernte einfahren und Energie zurückfahren): Übergabe und Verabschiedung
- Winter (loslassen und neue Kraft schöpfen): Zeit ohne Anstellung
Das Wissen und v.a. das Vertrauen auf diese Phasen reduziert den Stress, da die Ungewissheit eingedämmt wird. Die Phasen werden von vornherein als temporär gedacht; selbst hochintensive Zeiten verlieren so ihren Schrecken, da das „Licht am Ende des Tunnels“ von Anfang an „mitgedacht“ wird. Dies ist vergleichbar mit den intensiven Arbeitsphasen von Projektmanagern oder auch Unternehmensberatern. Auch dort ist die Beschäftigung von vornherein nur für einen begrenzten (wenn auch zu Beginn noch ungewissen) Zeitraum geplant. Es kann nützlich sein, sich diesen Umstand in Erinnerung zu rufen, wenn man sprichwörtlich „im Stress unterzugehen“ scheint. Die Zukunft wird ein Stück sicherer, da vorhersagbarer. Dies reduziert Stress und erhöht das Empfinden, Herr der Lage zu sein. Ein kurzer Nachsatz zum Einstieg: Dem Wort „Jahresende“ liegt die an sich seltsame Annahme zugrunde, der Jahreszyklus hätte tatsächlich so etwas wie ein Ende. Doch wo ist dann das Ende eines Kreises – wo dessen Anfang? Das Wissen um den unabänderlich kommenden (nächsten) Frühling birgt oft schon genug Hoffnung, um auch die dunkelsten Tage des Winters zu überstehen.
Zeit der Ahnen: Go ask your grandfather
Indigene Kulturen kennen häufig noch eine andere Form der zeitlichen Orientierung, die in der westlichen Welt ungewohnt ist. In indigenen Gesellschaften herrscht die Vorstellung, jederzeit in Kontakt mit den eigenen (auch verstorbenen!) Ahnen sein zu können. Aus unserer eigenen Erfahrung im Reservat wissen wir, dass ein Elder (= ein Kulturkundiger des Stammes) auf eine Frage häufig – statt einer Antwort – eine Anweisung gibt: „Go ask your grandfather“. Selbst – und vielleicht gerade dann –, wenn die eigenen Großeltern bereits nicht mehr leben, sollen sie im Traum oder in der Meditation befragt werden. – Doch kann dies auch funktionieren, wenn man selber aus einem Kulturkreis stammt, in dem diese Verbundenheit mit den Ahnen üblicherweise nicht wahrgenommen wird? Wir glauben: ja, sowohl für Coaching als auch Selbstcoaching. In unserem letzten Seminar „Coachen wie der Medizinmann“ konnten wir erleben, wie einige Teilnehmenden in dieser Übung tiefe, emotionale Erfahrungen für sich gemacht haben. Die Übung kann sehr starke Emotionen auslösen und sollte in dieser tief-assoziierten Form möglichst nur in Begleitung einer Vertrauensperson durchgeführt werden. Es spricht jedoch nichts dagegen, seinem Großvater – oder bei Frauen: seiner Großmutter – eine Frage zu stellen – und sich dann von der Antwort überraschen zu lassen. Diese kann im Traum kommen oder sich auf metaphorische Weise äußern. Jedoch kann die Antwort auch überraschend klar sein, wenn eine eindeutige Frage an die Großeltern gerichtet worden ist.
Rundblick: Was agateno sonst noch macht
Zeit in anderen Kulturen
Dass das Zeitverständnis nicht nur bei indigenen Völkern anders ist als bei uns, erfahren auch unsere Studenten an der Hochschule Fresenius (Köln). Im Fach Interkulturelles Management der Business School werden Kulturen mit monochronem Zeitverständnis (z.B. Deutschland) von jenen mit polychronem Zeitverständnis (z.B. Russland) unterschieden. Bei Meetings mit russischen Geschäftspartnern also nicht wundern, wenn diese sich mit „mehreren Handlungssträngen“ gleichzeitig befassen: während des Gesprächs mit Ihnen z.B. Telefonate annehmen oder kurz aus dem Raum gehen, um Mitarbeitern Instruktionen zu geben. Zudem sind längerfristige Planungen häufig kaum mehr als „erste Hinweise“. Ein befreundeter russischer Kollege, der seit Jahren in Deutschland lebt, musste sich von seinem russischen Bekannten vor einem Besuch im Heimatland darüber belehren lassen, dass es wirklich keinen Sinn ergebe, bereits zwei Wochen vor Ankunft eine Verabredung auszumachen. „Melde dich, wenn du in Moskau bist!“, hieß es nur.
Kostbare Zeit: Drei reiche Tage für Kopf und Sinn(e)
Was passiert, wenn man eine Gruppe von Geschäftsleuten aus der Industriebranche mit einer Gruppe von interdisziplinär denkenden Beratern über drei Tage Erfahrungen machen lässt? Oder besser: Was kann man dort geschehen lassen? Die „Sophia“ der Unternehmensberatung Synnecta hat vorgemacht, wie es in bester Weise eine Zeit reich an Anregungen für den Kopf und für die Sinne sein kann: Philosophische Gedanken des Westens wie des Ostens; japanische Kampfkunst; indische Logik; Exkursionen in Kirchen und Museen sowie Kölns berühmtesten Friedhof; ein Blick in die Sterne und die Dimensionen des Weltraums; ein Blick in die Kamera – mündete in berührende Selbstportraits der Teilnehmenden. Die drei Tage waren als „Werkstatt“ angelegt, in welcher der Gedanke der Co-Kreation gelebt wurde: Die Grenzen zwischen Organisatoren und Teilnehmenden wurde durchlässiger und es entstanden Erfahrungsräume, die individuelle Besinnung ebenso zuließen wie kluge Diskussionen. Selten gab es in drei Tagen so viel zu entdecken. Wir sind sehr froh, dass wir dort mit einem Workshop zur Intuition unseren Teil beisteuern konnten. Beiträge von Synnecta: